Unsere erste Piscine ist vorbei

von Sophie Heinz

Die ersten Teilnehmenden haben die Piscine an der 42 Heilbronn erfolgreich abgeschlossen

Der erste Bildschirm füllt sich mit Gesichtern. Schnell werden es mehr - die Zahl in der unteren Ecke des Videocalls rast nach oben und es werden immer mehr Seiten, die man durchblättern muss, um alle Teilnehmer*innen einmal anzusehen. Die Zahl stoppt bei ca. 150 und das Team der 42 Heilbronn atmet nochmal durch, bevor das losgeht, worauf seit Vertragsunterzeichnung im Februar 2020 hingearbeitet wurde: der Start der ersten Piscine.

Wie kommt man eigentlich in eine Piscine?

Es ist vollkommen egal, welchen Schulabschluss, welche Noten oder welchen sozioökonomischen Hintergrund die Bewerber*innen haben. Die einzige Voraussetzung ist Motivation und das darf im Bewerbungsprozess bewiesen werden. Dieser startet mit zwei Logikspielen, die jederzeit auf der Bewerberplattform gespielt werden können. In regelmäßig stattfindenden Informationsveranstaltung erklärt das Team der 42 Heilbronn im zweiten Schritt, was genau dieses Studium ausmacht, denn es ist so ganz anders als ein Universitätsstudium oder eine Berufsausbildung.

Die Bewerber*innen müssen verstehen, was auf sie zukommt. Sie müssen erfahren, dass sie keine Stundenpläne haben und dass niemand ihnen sagen wird, was sie tun sollen. Sie lernen durch Peer-Learning, also miteinander und sie bewerten sich auch gegenseitig - das ist auch eine Verantwortung, die man gegenüber seiner Mitstreiter*innen hat. Das ist für viele eine große Umstellung und diese Erwartungshaltung klären wir in den Informationsveranstaltungen. Durch projektbasiertes Lernen arbeiten sich die Teilnehmer*innen des Programms durch einen Lernplan, der wie ein Videospiel aufgebaut ist. Mit jedem abgeschlossenen Projekt werden Experience Points gesammelt und in den Leveln fortgeschritten. Eine spannende Erfahrung, die begehrt ist.

Nicht nur deshalb ist der dritte Schritt im Aufnahmeverfahren extrem wichtig: die vierwöchige Piscine (franz. Schwimmbecken) ermöglicht den Teilnehmenden herauszufinden, ob diese Art des Lernens für sie geeignet ist. Vice versa findet 42 Heilbronn heraus, ob die Person für das Peer-Learning System geeignet ist.

Campen statt schwimmen

In einer regulären Piscine, die vor Ort stattfindet, wird vier Wochen lang gecoded was das Zeug hält. 42 Heilbronn ist Teil des 42-Netzwerkes, das insgesamt 33 Standorte umfasst und hat sich für die Corona-Zeit dem Modell des “Basecamps” vom Standort in Sao Paulo bedient. Was bedeutet das konkret? Das Basecamp ist die Online-Version der Piscine. Sie findet auch vier Wochen statt, aber eben online mit kleinen Modifikationen.

Hier der Aufbau eines solchen Basecamps:

Woche 0

Das vierwöchige Erlebnis des Peer-Learnings, das viel Interaktion bedeutet, online zu bringen stellt eine große Herausforderung dar. Um alle Teilnehmenden abzuholen wird im Basecamp innerhalb der “Woche 0” nicht programmiert, sondern es geht primär darum, dass die Teilnehmenden sich mit den Systemen vertraut machen und soziale Beziehungen zu anderen Teilnehmenden aufbauen - all das, was sich durch eine physische Anwesenheit automatisch ergeben würde. Wir haben dazu einen Discord Server mit verschiedenen Kanälen aufgebaut, in denen die Teilnehmenden die Möglichkeit haben, miteinander zu interagieren.

Woche 1-3

Projekte: Ab Woche 1 starten die Teilnehmenden dann mit den eigenen Projekten, die sie in ihrem eigenen Tempo erarbeiten. Anschließend wird ein Projekt abgegeben, von einem automatisierten Programm geprüft und von zwei anderen Teilnehmenden korrigiert. Durch diese Peer-Evaluation wird das Gelernte abgefragt und gleichzeitig Feedback eingeholt, wie der/die Gegenüber die Aufgabe gelöst hätte. Ein kontinuierlicher Wissensaustausch.

Examen: An den Freitagen nehmen die Teilnehmenden an Examen teil. Hier wird herausgefunden, ob das erlernte auch verinnerlicht wurde. Auch in einem Online-Examen können wir durch Logzeiten und Verweildauer auf der Plattform gut erkennen, ob jemand schummelt und unsere Teilnehmenden wissen genau: “wer betrügt, betrügt sich nur selbst”. ?

Rush: Am Freitag Abend werden die Teilnehmenden in 3er-Gruppen aufgeteilt, in denen sie über das Wochenende an den sogenannten Rushs arbeiten werden. Das sind Gruppenprojekte, in denen sie gemeinsam an Codingaufgaben arbeiten und diese in der kommenden Woche auch als Gruppe vorstellen müssen. Jede/r in der Gruppe muss in der Lage sein, alles beschreiben zu können.

Nebenprogramm: Und natürlich ist auch in Woche 1-3 das soziale Miteinander sehr wichtig. Zum Start jeder Woche kommen alle Teilnehmenden zu einem Community Meeting zusammen, dabei werden neue Herausforderungen besprochen aber auch das Programm der Woche vorgestellt. Bei Veranstaltungen wie “Around the Campfire” werden die Teilnehmenden in Breakout-Rooms geschickt, um sich besser kennen zu lernen und auszutauschen. An jedem Morgen schickt ein Bot namens “Marvin” den Teilnehmenden Tipps für den Tag und auch Motivationsvideos helfen den Teilnehmenden dabei, nicht aufzugeben.

Wer so lange konzentriert vor einem PC arbeitet, muss gut auf sich achten. Deshalb bietet eine Yoga-Lehrerin den Teilnehmenden in zwei 21-minütigen und einer 42-minütigen Session pro Woche Rücken- und Entspannungsübungen an.

In jeder Woche gibt es auch Inspirationen für die Karriere in Form von Impulsvorträgen. Hier ein Einblick in die Talks des ersten Basecamps (das Programm kann wechseln). Die Coding-Künstlerin Bleeptrack kombiniert beispielsweise Künstliche Intelligenz mit Kunst und zeigt den Teilnehmenden auf, wie sie mit einfacher Programmierung und Open Source kreativ werden können. Emil Wallner, ein ehemaliger Student der 42-Paris zeigt, wie sie bereits früh ein gutes Portfolio aufbauen können und wie sie durch Networking in ihrer weiteren Karriere profitieren können. Oder Emre, Mitarbeiter vom lokalen Unternehmen Camao gibt Einblicke in agiles Arbeiten in einem Team mit flachen Hierarchien und eine Einschätzung über den Jobmarkt für die künftigen Coder*innen.

Was sagen die Zahlen über das erste Basecamp an der 42 Heilbronn?

Insgesamt haben 131 Personen an der ersten vierwöchige Online-Veranstaltung gestartet. Von 18-57 Jahren haben sich hier Menschen aus den unterschiedlichsten Interessensgebieten und Teilen der Welt zusammengefunden, um Programmieren zu lernen. Mit 56% waren etwas mehr als die Hälfte der Teilnehmenden aus Deutschland, der Rest überwiegend aus EU-Ländern, wie Polen, Griechenland, Tschechien oder Ungarn, wo es eben noch keine 42-Standorte bisher gibt. Insgesamt haben 94 Personen die gesamten vier Wochen durchgehalten. Diejenigen, die es nicht durchgezogen haben, haben für sich herausgefunden, dass es nicht das richtige Lernsystem ist oder mussten aufgrund von persönlichen Vorfällen abbrechen.

Was sagen die Teilnehmenden über das Basecamp?

Das Feedback der Teilnehmerinnen und Teilnehmer ist bereits jetzt vor Abschluss der ersten Piscine überaus positiv.

    • "This experience is great. I would have never thought, that programming is so fun and interesting to me. I'm way more productive and motivated than I ever was in school or my studies. Only one week passed and I already wake up in the morning thinking about my projects and what I could try, only to find out that it doesn't work :D
    • Guys, just a huuuge thank you for the experience.
      I really want to get into 42, but even if I don't: I had a great time these weeks, met a ton of great people and made some friends.
    • Thanks guys! You are making this an incredible experience! Working +75h last week felt like <40 <3
    • I was worried that my motivation might run out because it's an online thing and it has happened before but I feel quite engaged with the experience, too engaged maybe cause I even dream about code. Anyway, thanks for doing this :)
    • I though that this will be life changing experience, but I didn't expected that it will change my life so much.  Never had in my life such support.
    • before I wasn't sure if the learning concept of 42 would suit me, I couldn't imagine how I would really learn a subject without a teacher. But through the 3 weeks I have now learned that this is very possible and that it's not that you don't have a teacher, but that you have 100 teachers who all know something about some subject and who get involved with you much more than an actual teacher could and because I am also a teacher and teach others something, I deepen my knowledge all the more and am asked questions that I would never have asked myself, but which are good questions and which take me a step further :) I find it totally fascinating how great this concept is and how such a community has developed in such a short time (and online too).

Was passiert als nächstes?

Erst einmal müssen alle Teilnehmenden damit klarkommen, dass sie jetzt wieder mehr schlafen können und Wochenenden haben ?

Unser Team wird in den kommenden Tagen die Auswertungen des Basecamps machen und nach ca. 2 Wochen bekommen die Teilnehmenden die Information, ob sie für das 42-Heilbronn Programm zugelassen werden. Daumen drücken und dann geht's für diese Personen ab Juni 2021 mit dem Lernprogramm an der 42 Heilbronn los ?.

 

Photo by Chris Montgomery on Unsplash

Zurück

LATEST NEWS

Schunk: 42ler leisten Pionierarbeit

3.700 Mitarbeitende, Präsenz in 50 Ländern, Preisträger zahlreicher Innovationspreise: SCHUNK aus Lauffen am Neckar ist der klassische Hidden Champion. Über Dr. Martin May, der als Director Technology & Innovation Management insbesondere das Thema KI vorantreibt, und 42ler, die bei dem Maschinenbau-Zulieferer Pionierarbeit leisten.

von 42 Heilbronn

Drei Jahre 42 Heilbronn – drei Stories

Premiere im Juni 2021: Mitten in der Corona-Pandemie startete an der 42 Heilbronn die erste Generation von Studierenden. Für Deutschland der Startschuss für ein völlig neues Lernkonzept und für die Studierenden der Sprung ins Ungewisse. Kann ein Studium ohne Profs wirklich funktionieren? Wie sieht die Zusammenarbeit mit den anderen Studierenden aus? Und wie stehen später die Chancen auf dem Arbeitsmarkt? Drei Studierende der Anfangszeit blicken zurück.

von 42 Heilbronn

Unser Vorteil? Die Menschen, die sich für HN als grüne Hauptstadt begeistern!

Im Oktober verleiht die EU-Kommission den Titel Green Capital Europe – unter anderem steht Heilbronn zur Wahl! Tatkräftige Unterstützung erhält die Bewerbung durch das Heilbronner Ökosystem, allen voran die 42 Heilbronn. Ein Gespräch mit Isabell Steidel, neue Senior Project Managerin City Dashboard an der 42.

von 42 Heilbronn