Der Lernbedarf ist gigantisch!

von 42 Heilbronn

Wechsel an der Spitze der 42 Heilbronn: Moritz Carthaus – vormals Head of Administration an der Coderschule – ist seit Anfang des Jahres CEO. Vorgänger Thomas Bornheim baut das Softwarelabor Level 3 auf. Zielgruppe sind Menschen, die bereits programmieren können, sowie Unternehmen, die ihre Mitarbeitenden aufschlauen wollen. Ein Gespräch über die Zukunft der 42, den XXL-Bedarf an IT-Fortbildung und das Jevons-Paradoxon.

Moritz, Du arbeitest seit 2021 an der 42 Heilbronn. Was sind Deine Ziele als neuer CEO?

Moritz: Die 42 Heilbronn hat bewiesen, dass kollaboratives und projektbasiertes Lernen ohne klassischen Lehrkörper funktioniert. Im nächsten Schritt wollen wir noch mehr Wirkung entfalten. Bis zum Jahr 2030 sollen die ersten 42 Alumni hohe Management Positionen bekleiden oder das nächste deutsche Einhorn gegründet haben. Zudem wollen wir sichtbar dazu beitragen, den Fachkräftemangel abzufedern. Kein Unternehmen in der Region soll mehr sagen müssen: ‚Wir würden ja gerne wachsen und Innovationen vorantreiben, aber uns fehlen die IT-Fachkräfte’.

Ist das nicht etwas vermessen?

Moritz: Ich glaube nicht! An der 42 Heilbronn bringen wir den Studierenden innerhalb von nur anderthalb Jahren alles bei, um als Coder erfolgreich ins Berufsleben zu starten. Dabei lernen sie lösungsorientierte Arbeitsweisen, Teamarbeit und Feedbackkultur. Sie lernen, wie man lernt, und sie lernen, wie man arbeitet. Zehntausende IT-Stellen sind in Deutschland noch unbesetzt, unser Ziel ist, bis zu 5 Prozent dieser IT-Stellen bis 2030 mit 42-Studierenden zu besetzen. Dafür müssen wir die 42 noch bekannter machen. Wenn immer mehr Unternehmen in IT bezogenen Job-Ausschreibungen ein abgeschlossenes Hauptstudium an der 42 Heilbronn als wünschenswert erachten, dann wissen wir, wir sind auf dem richtigen Weg.

Welche Projekte willst Du dafür anstoßen?

Moritz: Zwei Dinge liegen mir am Herzen. Punkt eins: unsere Lernatmosphäre. Die 42 Heilbronn ist in den letzten vier Jahren auf hunderte Studierende gewachsen. Das ist toll, birgt aber die Gefahr von Anonymität. Deshalb setzen wir noch stärker auf Gamification und das Zusammenbringen der Studierenden in kleineren Gruppen, um das Lernen persönlicher und intensiver zu machen. Der zweite Punkt betrifft unseren Ansatz des Peer-to-Peer-Learnings, bei dem sich die Studierenden unter anderem gegenseitig systematisch Feedback geben. Wir wollen diesen Prozess noch klarer strukturieren und die Qualität des Feedbacks steigern.

Thomas, du baust seit Jahresbeginn das Software-Labor Level 3 auf. Worum geht es dabei?

Thomas: Moritz hat vorhin erwähnt, dass in Deutschland zehntausende IT-Fachkräfte fehlen. Für die Wirtschaft ist das ein Strukturproblem. Zugleich sind die Unternehmen zwingend darauf angewiesen, dass sich ihre Coder kontinuierlich fortbilden. Einfach, weil sich die Technologien und Anwendungen rasend schnell weiterentwickeln. Ich habe dazu in den letzten Jahren zig Gespräche mit Unternehmerinnen und Unternehmern aus der Region und aus Deutschland geführt, einhellige Meinung: Der Lernbedarf ist gigantisch, wir brauchen in Sachen Fortbildung eine Revolution! Die derzeitigen Formate richten sich selten an fähige Programmierer, sind langsam, nicht praxisnah und gehen kaum in die Tiefe. Manche Unternehmen stellen ihre Top-Leute dafür bis zu einem halben Jahr frei, die fehlen dann natürlich anderswo. Stell dir einen Programmierer bei Daimler vor, der über zehn Jahre an Batterien gearbeitet hat und sich nun neu orientieren will. Der findet derzeit keine gescheite Fortbildung. Deshalb wollen wir unter dem Dach von Arkadia mit Level 3 ein Lernformat anbieten, das auf die Bedürfnisse von Unternehmen und lernbegeisterten Menschen zugeschnitten ist.

Wie kann man sich das konkret vorstellen?

Thomas: Level 3 zielt auf Menschen ab, die bereits über Programmiererfahrungen verfügen. Denen wollen wir insbesondere in den Bereichen Cloud, Cybersecurity und KI schnellstmöglich Praxiserfahrung in unseren Challenges anbieten. Drei Aspekte sind uns wichtig:

Erstens: Praxisnähe. Wir laden Unternehmen ein, mit unseren Programmierern konkrete Aufgaben für unsere Level-3-Kohorten zu entwickeln. Zum Beispiel, ein LLM programmieren und dabei die Performanz gegen herkömmliche Ansätze prüfen. Das erzeugt transferierbares Wissen: Das aufgabenbasierte Arbeiten hilft dabei, praktische Lösungen für konkrete Probleme zu finden. Nicht nur während des Programms, sondern auch darüber hinaus.

Zweitens: Peer Learning. Das heißt, dass es keine Profs und keine Lehrenden gibt. Stattdessen eignen sich die Level-3-Teilnehmenden in kleinen Coder-Lerngruppen von maximal 5 Personen vor Ort die Inhalte an. Style-Guides und strukturiertes Feedback ermöglichen dieses selbstorganisierte Lernen, das auf Nachdenken und Kooperation statt Auswendiglernen und Einzelkämpfertum abzielt. Das ist vielfach wirksamer als die herkömmlichen Lernmethoden.

Drittens: Lerntempo. Praxisbezug und Peer Learning zahlen auf ein hohes Lerntempo ein. Die meisten unserer Programme sind auf vier bis sechs Wochen ausgelegt. Anders als das Lernen an der 42 wird das Programm mit verpflichtender Anwesenheit durchgeführt. Gerade für die Koordination und Erfolge in der Teamarbeit ist das entscheidend. Wie wir von anderen weltweit operierenden Lernprogrammen wissen, steigert dieser Ansatz auch die Erfolgsquote bei den Aufgaben deutlich.

Angesichts der Fortschritte im Bereich KI – braucht es in Zukunft überhaupt noch Coder?

Moritz: Bahnbrechende Innovationen können bestimmte Berufe hinwegfegen, das stimmt. Und es ist auch richtig, dass KI das Coden deutlich erleichtert. Doch die Vergangenheit zeigt: Wenn eine Ressource effizienter genutzt wird, steigt auch ihre Nachfrage. Dieser Effekt ist auch als Jevons-Paradoxon bekannt, das den Kohleverbrauch im England des 18. und 19. Jahrhunderts beschreibt. Obwohl die Dampfmaschine viel effizienter wurde, gab es eine deutlich höhere Nachfrage nach Kohle. Grund dafür: Die steigende Effizienz eröffnete plötzlich neue Möglichkeiten, siehe das rasante Wachstum der Bahnverkehrs inklusive Kohleverbrauch. Das gleiche kann durchaus für KI gelten: Sie kann bestimmte Aufgaben automatisieren, aber gleichzeitig völlig neue Anwendungen und Geschäftsfelder eröffnen, die dann wieder deutlich mehr Coder erfordern.

Thomas: Genau. Wir stehen gerade an einer technologischen Schwelle, die ganz neue Möglichkeiten eröffnet. So erleben wir beispielsweise in der Sensorik bahnbrechende Fortschritte, die sich auf verschiedene Bereiche der Programmierung auswirken werden. Siehe den Medizinbereich: Über Mikrochip-Implantate können Organwerte gemessen und Bioimpulse gegeben werden. Die Entwicklung und Programmierung dieser Mikrochips fallen nicht vom Himmel, sondern müssen entwickelt werden.

Wenn Du aber fragst, welche spezifischen Programmiersprachen und Paradigmen künftig beherrscht werden müssen... da kann dir niemand eine Antwort geben. Was ich allerdings weiß: Mit dem Mindset und der Lösungskompetenz, die an der 42 Heilbronn und bei Level 3 vermittelt werden, ist man für alle Eventualitäten gerüstet.

Nochmal der Blick zurück: Moritz, gibt es einen Moment an der 42 Heilbronn, der dich besonders beeindruckt hat?

Moritz: Klar, sehr viele sogar. Ich denke da zum Beispiel an einen Studenten, der als sehr zurückhaltender Mensch zu uns kam und das auch über seine Körperhaltung zum Ausdruck brachte. Zwei Monate später sehe ich ihn vorne am Whiteboard mit 15 Leuten um sich herum, denen er einen komplexen Code erklärt – aufrecht und total präsent. Das war plötzlich nicht mehr der zurückhaltende Mensch vom ersten Tag. Zu sehen, wie sich Menschen hier entfalten können, ist einfach großartig. Kann man einen geileren Job haben?

Thomas, wenn du das hörst: Traurig zu gehen?

Thomas: Total! Umso glücklicher bin ich, dass Moritz genau der Richtige für diese Aufgabe ist. Er bringt eine Business-Perspektive mit, die der 42 noch mal eine neue Richtung eröffnet. Und mit Level 3 arbeiten wir im gleichen Gebäude, da werden wir uns auch künftig austauschen.

Zurück

LATEST NEWS

Der Lernbedarf ist gigantisch!

Wechsel an der Spitze der 42 Heilbronn: Moritz Carthaus – vormals Head of Administration an der Coderschule – ist seit Anfang des Jahres CEO. Vorgänger Thomas Bornheim baut das Softwarelabor Level 3 auf.

von 42 Heilbronn

Albert: Vom Praktikum zur Vollzeitstelle

Die Markant Gruppe vernetzt über 200 Händler mit 15.000 Lieferanten und sorgt für reibungslose Prozesse – seit Dezember 2024 mit Ex-42ler Albert im Entwicklerteam in Offenburg.

von 42 Heilbronn

Vivien: Überholspur bei Porsche

Kein Abschluss, aber jede Menge Skills: Vier Jahre nach dem Start beweist 42, dass innovative Bildung wirkt. Immer mehr Absolvent:innen starten in Jobs – wie Vivien, die seit Februar ein Praktikum bei Porsche macht.

von 42 Heilbronn