Bleeptrack: NFTs & Kunst - Eine toxische Beziehung

von 42 Heilbronn

Bleeptrack: NFTs & Kunst - Eine toxische Beziehung

Den ersten Kontakt zu NFTs hatte ich mit "Cryptokitties": virtuelle Katzenbilder, die getauscht oder sogar gekreuzt werden können. Aus der Spielerei ist mittlerweile eine populäre Technologie geworden, die auch von Museen, Galerien und Künstler*innen benutzt wird, um digitale Kunst zu handeln. Als aktive Digitalkünstlerin beschäftigt mich das Thema sehr und so möchte ich mir in diesem Newsletter etwas Zeit nehmen und meine Gedanken dazu ordnen.

NFTs, Blockchain & Kunst - drei Missverständnisse

Was sind NFTs? NFTs, in Langform 'Non Fungible Tokens', sind einzigartige Datenabfolgen, die auf einer logisch verknüpften Datenkette - der Blockchain - erzeugt, gespeichert und dann gehandelt werden können. Etwa so, wie ein digitales Bild - nur nicht visuell dargestellt, sondern übersetzt in eine Reihe aus Nullen und Einsen. Die Erzeugung eines NFTs und ihr Handel sind gebührenpflichtig.

1. NFTs machen den Kunstmarkt nicht inklusiver

Crypto Art löst das Versprechen leider nicht ein, den Kunstmarkt zu demokratisieren. Allein die Gebühren zum Kunstverkauf auf einer Blockchain kann erhebliche Kosten erzeugen, die kleine Künstler*innen nicht unbedingt stemmen können.

Denn die Erzeugung von NFTs ist teuer - sie verbraucht viel Energie bei der Rechenleistung für die Blockchain. Und das heißt derzeit auch: hohe Kosten, hohe Emissionen.

2. Die Blockchain ist nicht meritokratisch

Eine der Lösungen liegt darin, den dezentralen Rechenvorgang zu vereinfachen. Im "Proof of Stake" wird die Art der Konsensfindung der einzelnen Blockchainknoten geändert. Ursprünglich hatte mehr Mitbestimmungsrecht, wer mehr Rechenleistung ins System einbrachte ("Proof of Work"), nun bekommt aber der Knoten mehr Mitspracherecht, der mehr Tokens (also Objekte auf der Blockchain) besitzt. Man gibt also Macht den sowieso schon Mächtigen: das dezentrale Netz wird dadurch jedoch auch wieder zentralistisch.

3. NFT-Kauf ist nicht gleich Kunstbesitz

Mit dem Kauf eines NFTs erwirbt man keine Rechte am Kunstobjekt, man hat lediglich den Blockchaineintrag gekauft.

Hinter den Handelsplattformen stecken dabei oft etablierte Blockchains, wie z.B. Etherium oder Tezos. Die Kunstwerke werden dann nicht einmal direkt als Blockchaineintrag gespeichert, sondern landen auf ausgelagerten Servern. Und da die Bitcoinwährungen ohne Bestandsgarantie kommen, ergibt sich ein Problem. Schließt die zwischengelagerte Plattform oder der Bilderserver, so ist der NFT Kauf hinfällig.

NFTs haben meinen Kunstbegriff verändert

Mein Genre ist die Generative Kunst: hier wird ein Regelsatz festgelegt, nach dem dann eine ganze Reihe Kunstwerke erzeugt werden können. Das sind meist Bilder, es kann aber genauso Musik, Text oder etwas beliebig Anderes sein. Regelsätze lassen sich natürlich hervorragend in Code festhalten und darum findet sich generative Kunst zumeist im Digitalen wieder. Besonders bekannt dürfte der Begriff "Prozedurale Generierung" im Computerspielumfeld sein aber auch "Generative Design" aus der Bauteileentwicklung.

Nun hat die NFT Welt generative Kunst besonders schnell für sich entdeckt. Klar: mit nur einem Mausklick tausende Bilder erzeugen, die sich hochpreisig verkaufen lassen? Bingo! Und leider haben hier die Künstler*innen, die den Quellcode ihrer Projekte offengelegt haben, schnell das Nachsehen gehabt. Überall erschienen Bilder aus ihren Generatoren auf den bekannten NFT Plattformen. Daraus folgten Diskussionen über Lizenzen, die die Nutzung der generierten Bilder als NFTs verbieten und zu meinem großen Bedauern verschwand der Quellcode von vielen Projekten [https://twitter.com/marceloprates_/status/1450136242285383690, https://twitter.com/kcimc/status/1435281948839223296].

Diese Entwicklung finde ich besonders besorgniserregend und habe leider auch keine Lösung parat. Für mich kam es nicht in Frage meine Projekte auf closed source umzustellen und so blieb mir nur ein Wechsel der Sichtweise: das einzelne Bild hat keinen Wert. Der Generator - die Vielfalt - das ganze Paket: das ist das Kunstwerk. Und das kann mir auch niemand nehmen, indem er ein paar "meiner" Bilder auf die Bitcoin legt und zu seinem Besitz erklärt.

Gebt der Kunst Freiheit, erst dann wird sie wertvoll!

Digitale Kunst lebt davon frei online betrachtet, getauscht, ausprobiert und verändert zu werden. Diese Philosophie der frühen Netzkultur wird durch NFTs untergraben, indem jedes digitale Objekt zu Besitz erklärt wird. Auch als Künstlerin frage ich mich immer wieder: warum sollte man die Besitzidee in der digitalen Welt stärken wollen?

Nun sind NFTs aber nun einmal da und werden so schnell auch nicht mehr verschwinden. Ich habe mich aktiv gegen diese Technologie entschieden und viel überlegt, wie ich gegen diese spekulative Strömung und für freie Kunst und freies Wissen arbeiten kann. Die Gedanken möchte ich hier teilen und ja - sie sind nicht neu. Aus der kunstschaffenden Sicht bringen sie vielleicht aber doch ein paar neue Aspekte mit.

1. Open Source

Auch digitale Kunst lässt sich "open sourcen". Vielleicht nicht immer so schön und einfach wie Code, aber oft funktioniert es ganz gut. In meinem Fall ist es tatsächlich besonders leicht, da ich mich mit generativer Kunst beschäftige und die basiert nun einmal auf Code. Aber auch Visual Artists können beispielsweise ihre 3D Projekte teilen um Einblick in ihre Arbeitsweise zu geben. Schwieriger wird es dann bei klassisch gemalten Bildern, denn die einzelnen digitalen Pinselstriche werden nur selten aufgezeichnet und lassen sich auch später nicht manipulieren. Doch selbst zu sehen wie jemand mit Ebenen, Mischungsmodi oder anderen Einstellungen umgeht, kann für andere enorm hilfreich sein. Open Sourcing macht auch das Archivieren bedeutend einfacher. Wenn der Quellcode vorliegt, ist die Chance deutlich höher, dass sich in Zukunft vielleicht einmal jemand Zeit nimmt um den Code auf ein neues System zu portieren und es so wieder zum Leben zu erwecken.

2. "Pay what you want"

Kunst sollte absolut kein Luxus sein und die oben erwähnte Nutzung von Kunstobjekten zum Spekulieren finde ich furchtbar. Darum versuche ich meine generative Kunst soweit möglich unter der "pay what you want" policy zu verkaufen. Da gibt es Projekte, bei denen das besonders gut funktioniert, wie z.B. die Bilder aus meinem Stiftplotter. Der Materialpreis ist sehr klein und der größte Aufwand pro Plot ist Zeit. Noch viel einfacher ist es mit digitalen Bildern, denn hier geht der Aufwand zum Erzeugen eines Bildes praktisch gegen 0. Darum lasse ich hier viel lieber die Leute ihre eigenen Bilder mit einer Onlineversion des Generators selbst bauen.

Es gibt aber auch Dinge bei denen das nur schwer möglich ist. Beispielsweise bei physischen Objekten wie meinen generativen Platinen: hier gehe ich ganz ordentlich in Vorleistung und muss dann auch entsprechend einen fixen Mindestpreis abrufen. Allerdings zeigt sich hier, dass eine Querfinanzierung sehr erfolgreich ist! Einige Leute zahlen gerne freiwillig mehr, damit andere eine Platine für weniger oder sogar umsonst bekommen können. So war es mir bisher auch möglich Platinen an die Lehre zu verschenken.

3. Direkte Nutzung ermöglichen.

Den Quellcode veröffentlichen ist das Eine, aber eine direkt nutzbare oder spielbare Version zu veröffentlichen, ermöglicht viel mehr Menschen den direkten Zugang zum Kunstprojekt. Das Ziel ist hier die Hürde zur Nutzung so niedrig wie möglich zu halten. Natürlich hängt es stark vom Projekt ab, wie dies umgesetzt werden kann. Aber hier ein paar Anregungen: in meinem Fall ist es natürlich wieder ein generatives Kunstprojekt. Den Generator veröffentliche ich als Website, unter Umständen noch mit einer Bauanleitung wenn man sich Teile z.B. für den Lasercutter generieren kann. Bei Videospielen ist es praktisch schon selbstverständlich eine ausführbare Version zu veröffentlichen. Aber was kann man bei einem Brettspiel machen? Vielleicht gibt es für Spielfeld und Figuren eine Druckversion für Zuhause. Klar, sieht dann vielleicht nicht so toll aus, aber Spaß macht es sicher trotzdem! Gerade bei physischen Installationen ist der "zuhause nachbaubar" Gedanke ein Faktor, den man schon beim Planen des Projektes mitdenken muss. Und ich würde mir sehr wünschen, dass viele interaktive Projekte diesen Gedanken mit sich tragen!

An dieser Stelle muss ich allerdings auch sagen: frei zugängliche Kunstprojekte sind leider auch eine schlechte Quelle um damit seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Anstatt auf einen ungeregelten spekulativen Markt zu setzen muss hier die Gesellschaft eine Lösung finden. Patreon und andere spendenbasierte Projekte sind hier ein guter Anfang - im Grunde sind sie aber auch nur die privatisierte Version eines bedingungslosen Grundeinkommens. Und so haben NFTs dann doch tatsächlich einen positiven Aspekt: sie haben die Diskussion um Kunstbesitz und Künstler*innenfinanzierung angefacht und so diese Themen auch Leuten zugetragen, die sich zuvor noch nie damit beschäftigt hatten.

Final ist also mein Aufruf: lasst die Kunst frei sein! Macht Kunst, teilt Wissen und kommt ins Gespräch. Der KI Salon ist hierfür ein fantastischer Startpunkt.

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