Alltagsrassismus: Ein Thema auch bei der 42?
von 42 Heilbronn
Alltagsrassismus: Ein Thema auch bei der 42?
Coder*innen mit über 40 unterschiedlichen Nationalitäten studieren gemeinsam an der 42 Heilbronn. Verschiedenste kulturelle Identitäten treffen hier aufeinander. Klappt das Zusammenleben? Ja, mit Abstrichen: Auch bei uns haben sich Studierende aufgrund von Unachtsamkeiten bereits unwohl gefühlt, die Grenzen zur Diskriminierung sind fließend. Für uns Grund genug, sich damit auseinanderzusetzen. Als einen ersten Schritt haben wir im Februar Cansu Yapici zum Fireside Chat eingeladen und über Alltagsrassismus diskutiert.
Um Alltagsrassismus verstehen zu können, sind persönliche Erfahrungsberichte betroffener Personen ein wichtiger, erster Ansatz. Siehe Cansu. 2012 entscheidet sie sich als 20-jährige Kopftuch zu tragen. Anders als ihre Mutter, anders als ihre Schwester. Der Grund ist pragmatischer Natur. Sie betet fünf Mal am Tag, das Kopftuch ist dabei vorgeschrieben. Warum soll sie es dann nicht dauerhaft tragen? Die Art und Weise, wie sie von außen wahrgenommen wird, ändert sich schlagartig. Cansu jobbt zu jener Zeit bei C&A. An ihrem ersten Tag mit Kopftuch an der Kasse, kaum eine Stunde nach Arbeitsbeginn, will eine Kundin eine Hose an der Kasse zurücklegen: Ihr Name sei Bauer. B-A-U-E-R, die Kundin buchstabiert langsam und deutlich. Der Subkontext ist klar, Frauen mit Kopftuch radebrechen deutsch, sie werden in Schubladen weit unten einsortiert. Cansu antwortet ihr in fließendem Deutsch.
Mikroaggressionen im Alltag: „Sie sprechen aber gut Deutsch…“
Cansu Yapici wertet Situationen wie diese als Mikroaggressionen. Mikroaggressionen, das sind Handlungen und Aussagen, die negative Stereotype und Verallgemeinerungen bedienen. „Dadurch wird Menschen klar gemacht: ‚Du gehörst nicht dazu‘“, erklärt sie. Cansu ist Wissenschaftlerin am Fraunhofer Institut und setzt sich gegen religiöse Diskriminierung ein. „Es sind die ganz alltäglichen Aussagen, die nicht immer böse gemeint sind“, so Cansu. Aber sie zeigen Wirkung, vor allem, wenn sie sich häufen.
Mikroaggressionen an der 42?
Das Problem ist weit verbreitet. So fühlte sich laut aktueller EU-Studie fast jeder zweite Mensch aus afrikanischen Herkunftsländern in den letzten fünf Jahren diskriminiert. Erkenntnisse der Wissenschaft besagen: Diskriminierung berührt alle Lebensbereiche und macht dabei auch vor Hochschulen nicht Halt. Auch nicht vor der 42 Heilbronn. So haben sich Ende vergangenen Jahres drei Studierende über unsensibles, im Kern diskriminierendes Verhalten von Mitstudierenden beschwert. Thomas als CEO ist von den Erzählungen zunächst überrascht: „Ich habe über zehn Jahre in den USA gelebt, im Coder-Umfeld des Silicon Valley. Da ist man in der Diskussion um Diskriminierung schon viel weiter. Ich hätte nicht gedacht, dass wir hier überhaupt erst ein Bewusstsein dafür schaffen müssen.“ Eine erste Maßnahme: Der Fireside Chat mit Cansu, an dem über 50 Studierende teilnehmen.
Aha-Moment: „Als Frau mit Kopftuch muss ich Verantwortung übernehmen.“
Cansu selbst wollte zum Thema Kopftuch eigentlich nie in der Öffentlichkeit stehen. Ganz im Gegenteil: „Ich wollte einfach ein ganz normales Leben leben“, so Cansu. Als das EuGH im Jahr 2020 zum Kopftuchverbot am Arbeitsplatz entscheidet, hat sie genug. Sie macht ihren ersten großen Post auf LinkedIn. 83 Kommentare und eine feurige Diskussion. Ihre Erklärungen kommen an, sie hat einen Aha-Moment: „Ich habe gemerkt, als Frau mit Kopftuch muss ich Verantwortung übernehmen und mich zu meinem Äußeren und meiner Identität positionieren.“ Seitdem ist sie vor allem in „akademischen Bubbles“ unterwegs – wo Alltagsrassismus nicht seltener, dafür aber subtiler ist.
Ihre Kernempfehlung, um etwas zu ändern: Betroffenen Raum geben und erstmal zuhören. Dabei gehe es darum, sich auf den Menschen einzulassen und sich wirklich in die Perspektive der Betroffenen hineinzuversetzen. Das trifft auf große Zustimmung bei Thomas: „Wie wir am besten lernen, ist schließlich durch die Herzen.“ Zudem bedürfe es einer vertrauensvollen Atmosphäre, in der Betroffene sich trauen, Mikroaggressionen anzusprechen. Cansu: „Das Schlimmste ist doch, wenn Betroffene solche Situationen hinnehmen, sich mit Diskriminierung und Mikroaggressionen abfinden.“
42 Community ohne Diskriminierung
Die 42 Heilbronn hat den ersten Schritt gemacht. „Wir wollen hier diskriminierungsfrei zusammen arbeiten, coden und studieren“, so Thomas. Um das zu erreichen, sieht Thomas auch bei den Studierenden eine große Eigenverantwortung. Sie müssten zukünftig bereits mit dem Bewusstsein an die 42 kommen, sich in einem interkulturellen Kontext zu bewegen. Thomas: „Eine Idee wäre, ab Tag eins Botschafter*innen für interkulturelle Kompetenz zu ernennen.“ Darüber hinaus soll der Dialog weiter intensiviert werden: einmal im Quartal ist zukünftig ein Gespräch zum Thema Diversity geplant. Wie wertvoll und persönlich bereichernd das sein kann, hat der Auftaktabend mit Cansu gezeigt.
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